Gan De

Im Jahr 365 vor Christus schrieb der chinesische Astronom Gan De in seiner Abhandlung über Jupiter:

Jupiter was very large and bright. Apparently, there was a small reddish star appended to its side. This is called "an alliance". (Quelle: Wikipedia)

Vielleicht handelte es sich bei dem »rötlichen Stern« um einen der Jupitermonde.

Geht das überhaupt?

Zunächst einmal: es ist nicht so einfach, einen Jupitermonde mit dem bloßen Auge zu beobachten. Es ist eigentlich nicht möglich. Ganymed, der hellste der Jupitermonde, ist zwar immerhin sechsmal heller als die schwächsten Sterne, die man — gute Augen, eine stockdunkle, sternenklare und mondlose Nacht vorausgesetzt — gerade noch so mit dem bloßen Auge beobachten kann. Wenn Ganymed also ein normaler Stern in einem der üblichen Sternbilder wäre, dann könnte ein geübter Beobachter ihn sicher finden: ein schwacher, unscheinbarer, farbloser Stern am Himmel.

Aber Ganymed befindet sich ja immer in der Nähe des Jupiters. Jupiter ist viel, viel heller als Ganymed: je nach Entfernung ein paar hundert und bis fast tausend Mal heller. Das wäre an sich noch nicht so schlimm, man kann ja auch andere schwache Sterne sehen. Aber Ganymed ist nie weit vom entfernt Jupiter, maximal ein Fünftel Monddurchmesser. Deswegen überstrahlt der helle Jupiter immer den schwachen Ganymed.

Es gibt aber einen Ausweg: wenn man den Jupiter abdeckt, zum Beispiel mit einem Ast, dann stört das Licht des Jupiter nicht mehr so stark und man kann Ganymed erkennen.

Das ist eine Technik, die man heutzutage immer noch anwendet, beispielsweise bei der Suche nach Exoplaneten, also Planeten, die um andere Sterne kreisen. Das ist natürlich viel komplizierter als das, was Gan De vielleicht gemacht hat; man braucht ein ordentlich großes Teleskop, mit einer speziellen Vorrichtung, um den Stern abzudecken und eine hochempfindlich Kamera, aber das Prinzip ist dasselbe.

Es geht also, wenn man sich Mühe gibt.

Wer war eigentlich Gan De?

Ob Gan De nun den Jupiter mit einem Ast abgedeckt hat, oder mit etwas anderem, ob das eine zufällige Beobachtung war oder ob er systematisch die Umgebung des Jupiters abgesucht hat, wissen wir alles nicht. Seine Abhandlung über den Jupiter ist verschollen, die oben zitierte Stelle ist nur als Zitat in einem anderen, späteren Buch überliefert (was an sich nicht ungewöhnlich ist, auch die Literatur der europäischen Geschichte dieser Zeit ist nur spärlich erhalten).

Überhaupt ist sehr wenig über Gan De bekannt. Gan De war einer der großen Astronomen seiner Zeit, ein guter und genauer Beobachter, der zwei dicke Bücher über Astronomie verfasst hat, die leider nicht mehr erhalten sind. Er war vielleicht der erste Mensch, der einen Sternkatalog zusammengestellt hat, der aber auch verloren gegangen ist.

Nicht einmal sein ungefähres Geburtsjahr ist bekannt. Er wurde vermutlich im Staat Qi, vielleicht auch in Shu oder Lu geboren. China war zu diesem Zeitpunkt kein einheitlicher Staat, sondern in viele kleinere Reiche zerfallen. Man nennt diese Zeit daher auch »Die Zeit der streitenden Reiche«.

In Europa war in diesen Jahren Griechenland die dominierende Nation in der Wissenschaft. Es war die Zeit der großen Philosophen, zwei Jahre vorher wurde Aristoteles in Platons Akademie aufgenommen. Die Erde stand noch im Zentrum des Universums, aber bereits im folgenden Jahrhundert diskutierte Aristarchos von Samos eine Alternative, bei der die Sonne im Zentrum steht, und Eratosthenes von Kyrene bestimmte den Umfang der Erdkugel erstaunlich genau.

Was hat er da eigentlich gesehen?

Es gibt jedoch ein Problem mit der Beobachtung von Gan De: er bezeichnet den Stern in der Nähe von Jupiter, nämlich als »rötlich«.

Diese rötliche Farbe passt nicht gut zum natürlichen Aussehen von Ganymed, der eher grau ist. Die kräftigste Farbe hat von den vier großen Jupitermonden hat Io. Io ist aber nicht nur lichtschwächer als Ganymed, und kreist auch viel näher am Jupiter als dieser und scheidet deshalb als möglicher Kandidat aus. Aber selbst wenn es Io wäre, das menschliche Auge würde bei einem so schwachen Lichtpunkt ohnehin keine Farbe mehr erkennen können.

Insofern ist es ein Rätsel, was Gan De hier gemeint haben könnte. Gan De war ein guter Beobachter, er wird den Hinweis auf die rote Farbe wohl kaum unbeabsichtigt eingebracht haben. Vielleicht bezieht sich der Hinweis einen anderen, rötlichen Stern, der in der Nähe von Jupiter stand. Rot ist am Himmel keine ganz seltene Farbe; nicht nur der Mars, sondern auch viele Sterne wie Beteigeuze oder Aldebaran haben eine deutlich erkennbare rötliche Farbe. Es könnte also auch ein anderer Stern gewesen sein.

Fazit

Insgesamt muss man sagen: es ist prinzipiell nicht unmöglich, dass Gan De einen der Jupitermonde gesehen hat. Man kann das nicht mehr mit Sicherheit sagen, weil seine Bücher verloren gegangen sind und gerade von dieser einen, entscheidenden Stelle der Kontext fehlt. Aber der Hinweis auf die rötliche Farbe ist merkwürdig.

Und schließlich: vielleicht haben auch andere Astronom:innen Ganymed gesehen, indem sie Jupiter mit einem Ast abgedeckt haben, aber ihre Texte sind verloren gegangen.